Schralupp, blubb, blubb.

Ratschuuuu, Karuzzzz, Baladungg! Ja, die letzten Tage nach dem Projekt in Tel Aviv gaben uns wohl noch die volle Dröhnung. Doch bevor ich weiter davon schreibe und verrate, wo ich mich im Moment verstecke hier nochmal ein Bild aus "alten Zeiten", unserer anstregensten Show in Betlehem. So ganz weit weg vom Kontext, nur weil ihr ja gern mal Bilder seht:



Also gut. Tel Aviv. Ratschuuuu, Karuzzzz, Baladungg, sagte ich und ich würde noch plöpps, trattaaaatata, schliiiief und kazamm! hinzufügen. Es ist eine immer dynamisch wirkende, raue und zackige Stadt. Eine Blase im Lande Israels, die alle hassen und die den Rest der Welt langweilig findet. Die Überheblichkeit und unfreundlich raue Art Berlins kann mensch da ruhig hoch zwei nehmen, vielleicht ein paar mal, wenn man gerade nicht besoffen ist. Doch auch eine extreme, auch direkte, Offenheit schwallt einem entgegen. Ich wurde etliche Male im Cafe angesprochen, ich sei ja nicht Israeli, oder? "Aha, Circus, mhm. Er sei auch im Showbizz." Toll, mensch. "Und kannst mir helfen eine Wohnung hier an Ausländer_innen zu vermieten", er fahre bald zwei Monate nach Berlin. "Mhm,... Weisst du, dass du unheimlich schön bist?" Gagagaaaga. Mit den (praktisch nicht existenten) deutsch-sozialisierten Flirt-Codes ausgestattet fühlt mensch sich hier schnell hilflos. Oder ist das ein normales Tel Aviver Gespräch?!

Die Kultur boomt hier. Gutes Essen an jeder Ecke (in den letzten zehn Jahren gab es eine große Einwanderungswelle aus Frankreich und somit auch eine Croisantwelle und ein klein wenig Nouveau Cirque). Eine entwickelte Subkultur mit netten Bars und Clubs, viel Streetart und kleine Plattenverlage, die ihr Bestes Produzieren.

Ich bekam die volle Dröhnung bester Musikant_innen auf dem John Zorn Festival. Ganz provokant nennt er seine Musik radical Jewish music, sein Verlag Tzadik ("der Heilige, der Auserwälte,..."), seine Alben und Projekte tragen u.a. schwerwiegende Namen wie Massada oder Reichskristallnacht und präsentieren eine große Bandbreite von Musikrichtungen. Von Bossa-Nova bis meist experimentellem Klezmer bis hin zu Freejazz und elektronischem Klezmer, Trash-Jazz oder absolutem Avantgarde ("The French word for bullshit", wie Lennon sagte). In unserer Show nutzen wir auch viel seiner Musik.

So endete unser Projekt in einem ruhigen kleinen Cafe der intellektuellen Subkultur, wo wir zwischen Studis und Bücherregalen, Milchschaum und Serge Gainsbourg oder Lou Reed unsere ausführliche Evaluation begannen. Praktisches, zirzensisches, politisch-kulturelles, Gruppendynamik... von unten nach oben und oben nach unten. Ganz gesittet, doch offen und direkt. Ja, Anne, es war ein tolles Projekt - menschlich und professionell. Ein kleines Dankeschön aus Kyriat Tivon.

Damit es auch für euch noch spannend bleibt hier noch ein Bild:


dit war denne in Nablus beim Training. Ihr wisst schon, Freundschaft und so.

Also nun bin ich bei einer gut befreundeten Familie in der Nähe von Haifa und erlebe ein wunderschön-harmonisches Familienleben oberer intelektueller Mittelschicht. Vollkommen integriert in das Familienleben kann ich hier in Ruhe Arbeiten, waren wir heute die Geburtstage der Mama Yaara und des Sohnes Imri vorfeiern, da der Papa in ner Woche schwer arbeitet (eins der tausend global agierenden Start-up Unternehmen Israels, in dem Fall ist es High-Tech Schallwellenzeugs zum Fettverlieren).
Wir haben ständig politische Diskussionen und ich merke immer mehr, dass ich hier an der Quelle Sitze. Sie sind sehr reflektiert und kritisch, nie fanatisch. Er hat als Jugendlicher in einem Kibbuz gelebt und eine Weile die Umstrukturierungsprozesse der Kibbutzniks professionell begleitet und angetrieben. Sein Job war es - mensch nennt es "Human Change Management" ökonomische und ökologische Umstrukturierungsprozesse einzuleiten. Erster Schritt: Analyse des Status Quo. Wie reagieren Menschen auf Individualisierungsprozesse, die nie mit Geld umgehen mussten - erst im Holocaust-Vernichtungslager und dann im Kibbuz.
Wir reden über Zionismus, "neuen Zionismus", Antizionismus. Ich erzähle ihnen von Jenin und Nablus... sie erzählen mir von ihren Wanderungen in den besetzten Gebieten, als sie frisch verliebt waren und von Dorf zu Dorf wanderten, bei Einheimischen eingeladen wurden. Das ist heut weit entfernt, nicht denkbar, alles extrem politisiert,... sie sind sehr neugierig wie das Leben dort ist.
Es ist beeindruckend, wie oft wir Gespräche anfangen, diskutieren und es offensichtlich ist, dass es kein Ende gibt. Ich musste mich erstmal an die Art von Diskussionen gewöhnen, so ganz ohne Lösungssuche. Wir könnten noch so viele Lagerfeuer entzünden,... es wird weder einen, noch zwei Staaten in dieser Gegend geben. Nicht jetzt.

Ich komme also am 13ten zurück, wie Anne schon schrieb. Ich füge hinzu: ich wünsche mir ein Tiramisu.

Dem Jean.

Ach ja, zur Unterhaltung noch ein paar Fotos und eine Liste von Info-Organisationen und Nachrichtenagenturen, wie ich zusammengestellt habe, falls jemensch noch hungrig ist.









Und hier noch die Links:

Politische, soziale und akademische Institutionen

http://www.crisisgroup.org/ International Crisis Group
Tiefgehende politikwissenschaftliche Regional-Analysen. Die haben richtig Kohle, großen politikberatenden Einfluss und liefern detaillierte Analysen. Große Ziele wie "Krisenminderung weltweit". Mit vorsicht zu geniessen: die bilden den westlichen politikwissenschaftlichen mainstream ab, im vorstand sitzt der ehemalige US-Vertreter der UN und ein EU Funktionär. wikipedia widerspricht sich darin wer es gründete: EU Vize Weltbank Präsi oder EU-Komissar für Auslandsbeziehungen.

http://www.passia.org/ „Palestinian Academic Society for the Study of International Affairs“
Palästinensisches non-profit Institut in Jerusalem (in der Nähe des Damaskus Gate direkt bei der Nablus Road) auf der Suche nach Antworten der Palästinensischen Frage. Akademisch orientiert, hat viele ausführliche Bücher und Infomaterial sowie Serviceadressen und ein Jahrbuch über die Besetzten Gebiete. Vorbeigehen lohnt sich.

http://www.ochaopt.org/ Office for the Coordination of Humanitarian Affairs in the Occupied Palestinian Territories of the UN
Koordinator für humanitäre Hilfseinsätze der Vereinten Nationen mit viel Infomaterial, Karten und aktuellen Berichten über die Lage in den Besetzten Gebieten. Direkt neben PASSIA in Jerusalem.

http://www.ipcri.org/ Israel/Palestine Center for Peace and Information
Ein Istitut, was versucht Pro-Palestinenische und Pro-Israelische Menschen aus der Wissenschaft, der Aktivist_innenszene, kulturellen und sozialen Projekten an einen Tisch zu bringen und es meistens auch schaffen. Die Friedensorientierten Menschen bleiben so leider meistens unter sich, doch es entstehen spannende Veranstaltungen und Kontakte.
Sie stehen klar für die zwei-Staaten Lösung ein und haben verschiedene politikberatende Programme. Im Vorstand und sonstiger Besetzung wird auf ausgeglichene Palästinensische-Israelische Mitarbeiter_innen Besetzung geachtet.
In „Tantur“, Jerusalem. Arabischer Bus 124 oder 21.

http://www.machsomwatch.org/en Machsom Watch
Eine Organisation Israelischer Frauen, die Checkpoints beobachten und menchenrechtlich aktiv sind. Auf der Seite findet sich eine gute Übersicht und Beschreibung aller Checkpoints und aktuelle Berichte.

http://www.alternativenews.org/ Alternative Information Center
eine antizionistische Organisation, die sehr bemüht ist in Israelisch-Palästinensischen Aktivist_innen-Beziehungen. Internationalistisch, antiimperialistisch orientiert und sehr in der Szene. Podcasts mit Vorlesungen und dazu passenden Powerpoints werden u.a. auf der Internetseite angeboten, interessante Artikel und übersichtliche Seite.
Bieten an, Berichte zu veröffentlichen.
In der Ben Yehuda Street 4,... genau hinschauen, ist unscheinbar.

http://www.breakingthesilence.org.il/ Breaking the Silence
Organisation, die Dokumentation über Einzelschicksale von Soldaten sammelt. Interessant um die Widersprüche der Identitäten und Absurditäten der Besetzungssituation zu verstehen.


http://www.thisweekinpalestine.com/ Palestine Week
Wochenzeitschrift, die in palästinensischen organisationen ausliegt und unter anderem Karten und Informationen zur Westbank enthält. Auch kulturelle Veranstaltungen...

Nachrichtenseiten

http://www.imemc.org/ International Middle East Media Center
Aktuelle und direkte Infos vom international angelegten Medienkollektiv. "Kooperation aus Palästinensischen und internationalen Journalist_innen". Die Tendenz ist klar, doch die unterscheiden zwischen News, Menschrechtsbezüge, tieferer Analysen, Interviews und haben auch sonst interessante Kategorisierungen.

http://www.haaretz.com/ Ha'aretz Tageszeitung online
"die taz Israels"? Ich weiss nicht, ob man das so sagen kann. Aus jeden Fall aus Israel schreibend, den linken Mainstream repräsentierend und dabei eine linksliberale Tageszeitung von dort. Es schreiben manchmal sehr kritische Journalist_innen dort.

http://www.irinnews.org eine UN Nachrichtenseite
Auffällig kritisch und "repräsentiert nicht die Meinung der UN"

http://www.electronicintifada.net/ Electronic Intifada
offensichtlich Palästinensische Perspective, wenn auch öfters polemisch. Beziehen viele Aspekte in ihre Analysen ein, manche kategorsich nicht. Eine Mischung aus täglichen News und längerfristig gesammelten Infos. Eindeutig antizionistisch, bekämpfen pro-amerikanische und pro-israelische Medienangenden.

http://www.palsolidarity.org/ „International Solidarity Movement“:
auch wieder Pali-gesinnte-Seite, ein Blog. Aber die haben jetzt auch ne deutsche Seite...
Sie veranstalten Trainings für gewaltfreie Aktionen gegen die Besetzungssituation. alle die ich in dem Bezug getroffen habe waren bunte, manchmal etwas verloren und abenteuersuchend wirkende Vögel. Von der Armee werden sie gehasst, Mitglieder wird Einreise nach Israel verweigert, der Kontakt zu Ihnen ist also schon Einreisegefährdend. Gerüchte sagen, Mitglieder_innen hätten Waffenlieferungen nach Palästina organisiert.

http://www.maannews.net/en/index.php Ma'an News
aus pali-perspektive infoseite mit aktuellen meldungen über Westbank und Gazastreifen.

http://www.ynetnews.com Ynet
Als arabische und Hebräisch angefangen gibt es nun nur noch Hebräische und Englische Nachrichten von dieser Online Nachrichtenagentur. Spiegel Online und viele andere Angenda-setting Agenturen haben ihre Infos von dort.

http://www.jpost.com/ Jerusalem Post
Eine noch immer als links angesehene Zeitung, eine der ältesten Israels und die einzig große, die nicht in tel Aviv sitzt. In den 80gern ist sie reichlich nach rechts gerückt. Englischsprachig.

http://english.aljazeera.net/HomePage Al Jazeera
Die größte arabische Nachrichtenagentur, sehr liberal angelegt und umstritten. Agendaseting aus arabischer Sicht?

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