Reisen macht fett und regt die Verdauung an!

Ich fühle mich dick. Ramon auch. Es gab so viel zu essen in den letzten Wochen und alles war so fettig. Der Magen braucht auch etwas Zeit, sich darauf einzustellen, ich glaube ich brauche etwa doppelt so lange wie in Deutschland, das Futter hier zu verdauen. Jetzt liege ich also hier, in einem schäbigen Hostel Tel Avivs, mit meinem vollem Bauch. Voll mit Menschen, mit jubelnden Kindern, mit politischen, kulturellen Eindrücken, mit Gesellschaftsentwürfen und Denkmustern, wie sie konträrer nicht sein könnten. Gänsebraten auf Erdbeersoße. Bananen-Falafel-Müsli mit viel viel Zucker. Alles kosher.
Und ich trage dieses Essen wie ein kleines Kind in meinem Bauch, dass ich ganz langsam verdaue. Wie sagt Ranulfo so schön? Wenn man Druck macht kommt nur Scheisse raus!

Es waren wieder mal sehr intensive Tage bei Adnan. Sehr persönliche Eindrücke, sehr intime Momente. Wir haben viele Shows in kleinen Drusischen Gemeinden gefeiert und Abends, mit selbstgemachtem Brot und Frischkäse im Mund, die Erschöpfung gespürt. Zum Abschluss, als wir alle gemeinsam am Tisch sassen und Adnans Frau Linda und sein Sohn F'rass lachend vor dem Essen saßen, was wir ihnen zubereitet hatten laß uns Adnan sein neustes Gedicht vor. Es waren viele, persönliche, familiäre Momente.

Die kommeden Tage nutzen wir jeder für uns: In Tal Aviv ist im Moment das John Zorn festival, ein begnadeter moderne Musiker, was für mich ein willkommener Abschluss der gemeinsamen Fahrt ist. Ramon und ich gehen also heut abend in Tal Aviv auf eins seiner Konzerte, ich werde auch morgen nochmal hingehen. Anne ist in Kfar Ye'shua, und wir treffen uns am Donnerstag alle nochmal zum gemeinsamen Abschluss und evaluieren die Fahrt.
Ich bleibe dann noch eine Woche länger hier, da ich mich spontan entschieden habe noch etwas Zeit mit Freunden im Norden zu verbringen und bei einer Konferenz von www.ipcri.org in Jerusalem teilzunehmen.

Wenn wir zurück sind, werden wir eine mindestens einen Abend lang alles präsentieren, was wir hier erlebt haben.
Bis bald und auf viele spannende Fragen und Kommentare zu unseren Berichten,

Jean

Pling Plang Plong, Circolibre im Karton!

Wir springen von Show zu Show und genießen die familiäre Atmosphäre bei Adnan. Er liebt es Geschichten zu erzählen, wodurch wir auch immer wieder in seine Vergangenheit reisen, lachen und diskuttieren.
Gleich treten wir dann bei ihm im Community Center auf, daher hier nur kurz. Einige Bilder von einem "Journalisten" auf einer Israelisch-arabischen Webseite:
http://wen.co.il/newsview.php?sec=news&NewsID=6647&type=100
http://wen.co.il/newsview.php?type=100&NewsID=6639
Viel Spaß damit,

Jean

Circolibre schmeckt noch leckerer, wenn mann es isst!

Die Zeit des ausharrens in Jerusalem, des mühseligen Bars besuchen und Quatschen, des Entspannens und ziellosen Gedanken baumeln lassen ist vorbei. Wir haben unseren Esel bepackt und folgen dem Stern gen Norden, vielleicht hilft uns ein freundlicher Busgenosse auf dem Weg...

Einige eindrücke aus der vermeintlich heiligen Stadt will ich unseren digitalen Weggefährt_innen jedoch nicht verweigern:

Es ist nicht viel, was ich schreiben möchte, denn bald fahren wir wieder nach Bethlehem, wo wir gestern eifrig versuchten eine weitere Show zu feiern, uns aber wie die Löwen im Gladiatorenkäfig fühlten. Gladiatoren waren in dem Falle eine Masse von etwa 300 (1000 gefühlten) liebmeinenden Kindern, die uns unter der behutsamen Unfähigkeit derer Hoheit (unsere Partnerorganisation in den Klauen der UNRWA-Bürokratie) empfingen. Es ist nicht leicht in Worte zu fassen, wie die Bilder abstruser Kommunikation mit der Hoheit, dem Chaos der Kinderseelen - untermalt von krächzenden Lautsprecherngejaule in voller Mittagshitze - unsere Frustrationsschwelle sprengten. Schliesslcih fanden wir uns nassgeschwitzt im Büro von Shiraa wieder und versuchten unsere Punkte von Partnerschaft und Respekt auszutauschen... realtiv erfolgreich, denn wir werden heut noch einen Workshop dort miterleben.

So. Punkt erstmal. Die Bilder von Strassenshows bei Purim, von Checkpointschikanen und der Altstadt Jerusalems findet ihr sicherlich in jeden gutsortierten Blog aus der Region.

Ich wünsche eine weitere fröhliche Unterhaltung,

Jean, der verwirrende Schreibling

Purim ist wie wenn alle Geburtstag haben und die Touris einladen

Hallo hallo,

Wir sind wieder in Jerusalem und amüsieren uns fröhlich in dieser Stadt. Karsten ist auch dabei, weil er gerade in Ramallah nicht viel zu tun hat. Gestern abend haben Ramon und ich mal ein wenig die Einkaufsstraße von Jerusalem, Ben Yehuda gerockt, wir haben uns in Straßenauftritten geübt.
Einige Passant_innen haben dann nicht nur zugeschaut, sondern auch mitgemacht. Um noch eins draufzusetzen hat ein Junge das dann auch noch ins Netz gesetzt: http://video.google.com/videoplay?docid=5343046191300045035

Soweit so gut,

Bis bald,

Jean

Wenn Freundschaften, Projekte und Besetzungstourismus sich vermischen...

Hereinspaziert hereinspaziert!

In der Welt der kleinen und großen Eindrücke, in der Allee der Bilder, die hier um uns herum flattern. Wo soll ich nur anfangen, nachdem wir so vieles erlebten? Schon hier in Nablus? Ich geh noch ein Schritt zurück, nach Jenin, wenn es mir auch schon so fern vorkommt...

Wo waren wir stehen geblieben? Zuletzt haben wir einen Tag mit der Jeniner Jugendgruppe trainiert und es tatsächlich geschafft eine schöne, runde Show auf die Beine zu stellen, die wir im Freedomtheater zeigen (www.thefreedomtheatre.org).



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Die Jugendlichen vom Street Circus geben dort regelmäßig training, es ist und bleibt immer eine kleine Reise von der Stadt Jenin in das Flüchtlingslager Jenins (das "Jenin Camp"), wenn es auf den ersten Blick ein und die selbe Stadt zu sein scheint... Doch mensch sieht es an den Häusern, vor allem aber auch in den Augen der Menschen.
Eines Abends sagte Ahmed, in dessen Haus wir auch unsere Wohnung hatten, "der da, der ist auch vom Jenin Camp, aber (!) der ist mein Freund". Es verlaufen Grenzen in den Köpfen der Menschen, geprägt und geschürt von der Besetzungssituation, von den Unterschiedlichen Herkünften der Familien und Clans, die hier und dort Leben.

Es ist wirklich schwer nachzuvollziehen, wie viele Fronten auf einmal bekämpft werden, bis sie hin und wieder erschöpft aufgegeben werden und es dann doch vollkommen egal ist, ob nun Hamas oder Fatah die Maschinerie der Korruption am Leben hält (Fatah ist die Partei des ehemaligen Arafats und des jetzigen Präsis Machmut Abbas. Sie ist aus der PLO entstanden und hält den "alten" Kurs, versucht unter Abbas nun auch zwischen Israel und palästinensischer Autonomiebehörde zu vermitteln, erkennt Israel zum großen Teil an und hat nun auf Condoleeza Rices Bitte, sich nach dem Angriff Israels auf den Gazastreifen wieder mit Amis und Israelis an den Verhandlungstisch zu setzten, hingesetzt. Die Hamas ist radikaler und kämpft stärker gegen die Besetzungssituation, hat teilweise auch intensive Sozialprogramme, wodurch sie in der Bevölkerung sehr beliebt ist. Sie erkennt Israel nicht an, weil Israel auch Palästina nicht anerkennt. Militante Arme haben alle Parteien. Doch da die internationale Gemeinschaft der Hamas den Geldhahn abgedreht hat konnte sie die gewonnene Wahl nicht auskosten, die Gehälter wurden nicht gezahlt und in der Westbank ist sie schliesslich abgesoffen - in Nablus wurde der Bürgermeister von der Israelischen Armee festgenommen. Es bleibt schwer für mich zu differenzieren, zu verstehen, wie die Politik hier funktioniert.)

Ja, in Jenin also leben die Menschen im Camp oder nicht. Mensch ist von reicherer oder ärmerer Familie. Liberalerer oder Traditionellerer. Zwischen Mann und Frau. Zwischen original-palästinensisch freiwillig hergezogen oder flüchtlichs-palästinensisch. Das heißt gleich - "ICH hab alle Intifadas miterlebt, ICH hab für unser Land gekämpft, doch DU bist erst hergezogen, als es friedlicher wurde, nach dem Oslo Prozess."
Und im Camp gaben wir dann die zweite Show, da, wo unsere Freunde, von eher wohlhabenden Familien aus Jenin-Stadt den Kindern, die hergeflohen sind Workshops geben. Das Theater scheint sehr gut organisiert zu sein, hat ne sehr gute Fundraising und PR Abteilung! - sie können sich 20 Angestellte leisten und u.a. Noam Chomsky und Judith Butler sind im Vorstand. Sie haben regelmäßige Shows und Training und ne Menge Freiwillige. Sie haben sich also in kurzer Zeit zu einer Prestigevollen Institution entwickelt.

Doch die interessanten Eindrücke sind die kleinen Beobachtungen im Alltag. Als ich Fotos entwickeln ging, lagen im Labor all die Fotos rum, die sonst für Kunden entwickelt werden sollten. Es waren ausschliesslich Fotos von frischgeborenen Kindern, Hochzeiten und Post-pubertären Jungs mit Maschinengewehren. Die wichtigsten Momente im Leben der Jeniner_innen?!

Alle, die in Kämpfergruppen eintreten bekommen zuerst ein Kanönchen in die Hand gedrückt und machen Fotos, für den Fall, dass die Israelische Armee sie umbringen sollte. Denn dann wird die ganze Stadt mit deren Köpfen (und Maschinengewehren) zugepflastert. Das prägt das Stadtbild, Gewalt als Widerstand ist hier hoch angesehen. Waffen und Bomben sind durch die lange Besatzungssituation tief in den Köpfen der Menschen verankert, oft dienen die Bilder von Bomben und Raketen als Metaphern für ganz gewöhnliche Gefühle.

Läuft mensch in der Stadt umher fallen einem nicht nur die Jungs mit den Stirnbändern und Knarren auf, die an jedem Supermarkt kleben wie bei uns die halbnackten Frauen, die Joghurtwerbung machen.
Es fällt in Jenin auch auf, dass es kaum Mülleimer gibt. Warum? Nunja, sie sind schwer zu finanzieren. Der Wind treibt alles, was grundsätzlich auf die Straße geworfen wird, weg. Und die großen Müllcontainer, die gelegentlich umherstehen, brennen aus... als einzige Lösung, die den Ämtern dort zur Müllentsorgung offen bleibt.

Wir spielten also unsere zwei Shows in Theater mit den Kids vom Street Circus, was echt super Spaß machte. Plötzlich sickerte die Nachricht durch, dass das osmanische Reich zusammenbrechen sollte, und die internationale Gemeinschaft den Briten ein Mandat über die Region geben wollte. Als die Osmanen uns dann verjagten wurde es uns etwas brenzlig und wir packen unsere sieben Sachen und flohen nach Nablus...


Die Osmanen streifen durch die Stadt...


und wir begeben uns auf den beschwerlichen Weg nach Nablus

Hier angekommen läuft erstmal das übliche Programm: Wir werden von unseren Freunden warm empfangen und genießen Tee, Falafel und Knafe - die Fett-Zucker Spezialität aus Nablus (mit Grundlagen Käse, Zucker und Grieß), wofür angeblich Menschen von weit weit her reisen.

Nablus Altstadt

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Nablus hat sich anscheinend verändert. Es ist scheinbar viel sicherer geworden, seitdem die Fatah wieder die Macht übernommen hat - es gibt ne Menge Kontrollen in den Straßen, wir konnten uns sogar bis zehn Uhr Abends heut in der Altstadt aufhalten. Das wäre letztes Jahr undenkbar gewesen, da die "Freiheitskämpfer_innen" dann ins Gefecht mit der israelischen Armee hätten kommen können.
Doch mensch spürt es auch in der Luft. Es ist lebendig geworden in der Stadt, irgendwie bunter. Ich kann es nicht genau beschreiben. Alle sagen klar: es hat sich viel verbessert.

Nur eine Bevölkerungsgruppe leidet hier sehr: Die buddhistischen Schaufensterpuppen machen weiterhin kollektiven Selbstmord um auf ihre Situation der Unterdrückung aufmerksam zu machen:



Wir wissen selber nicht genau, wie damit umzugehen.

Mir fiel anfangs auf, dass ich dieses Mal kaum Horrorgeschichten erzählt bekam, von Folter und Unterdrückung durch die Israelis, von Gefangenschaft und Schickane. Doch jetzt, mit der Zeit, sammeln sich doch die Geschichten an. Angefangen im Jenin Camp, wo vom Jenin Battle (Wikipedia) erzählt wurde, als 2002 intensive Militäroperationen Israels in der gesamten Westbank, u.a. im Camp Jenins stattfanden. Ein Monat lang Hausarrest für alle, massig tote Zivilist_innen, die Menschenrechtslage war verheerend, wie Human Rights Watch berichtet (HRW Report 2002). Fast alle Häuser wurden durchsucht und um zu markieren, dass dieses oder jenes Haus schon durchsucht wurde, wurde ein Davidstern an die Wand gesprüht. Und und und.
Jede und jeder, mit dem ich über sowas sprach hat irgendwelche Brüder oder Cousins, die in Israelischen Gefängnissen sitzen. 8, 15, 25 Monate. Grenzen sind in den Köpfen gemacht und werden dann so schnell, so schrecklich lebendig.

Diese Geschichten begegnen uns hier öfters, doch unser Alltag ist ein ganz anderer. weiterhin extreme Gastfreundschaft, viel gutes Essen, wir feiern gemeinsame Shows und erzählen uns Tratschgeschichten.

Nun, und die Show heute war echt mal gut. Und das beste ist: wir haben sie vollständig auf Video! Endlich können wir also auch mal sehen, wie wir spielen.

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und alle drei Lachen sie fröhlich für die Kamera.

Morgen und übermorgen dann noch zweimal Workshop geben und dann ab weitergezischt etwas südlicher. Mehr dann dann.

Bis bald,

der langatmig-beschreibende Jean

Schau! ne Show!

Licht an! aus. an. aus. an. aus.

Wir spielen heut noch zwei shows, nachdem wir gestern den ganzen Tag gemeinsam trainiert haben. Es ist intensiv, doch wir finden auch immer wieder Momente unsere vielen Eindrücke zu sortieren... wenn sie auch selten sind.
Morgen fahren wir dann weiter nach Nablus und treffen unsere Freunde vom Assirk Assaghir.

Hier ein Paar Bilder der Wahnsinnsshow in nem Park am Rande Jenins:

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Bis Bald,

Jean

Ein neuer Tag in Jenin.

Ein neuer Tag in Jenin.

Mittlerweile geht der fünfte gemeinsam in Jenin verbrachte Tag seinem Ende zu. Ich sitze in einem Zimmer mit Jean in unserer neu, auf Zeit gegründeten WG, mit Achmed.
Die Tage in Jenin sind spannend und voll mit neuen Dingen die es zu erleben gibt. Vom bunten Markt die Straße runter bis hin zu Einladungen für den Abend bei netten Menschen, Zirkusworkshops dazwischen und ab dem morgigen Datum auch Auftritte... Kurz gesagt, die neuen Eindrücke wollen einfach nicht ausgehen. Fast immer sprudeln sie auf uns ein. Vor allem Abends wenn wir meist unterwegs sind, wie gesagt eingeladen werden oder überraschend in unserer „Männer-WG“ die besten Freunde von Achmed auftauchen, wie der „Laden um die Ecke Besitzer“, der Bruder und andere lustige Gestalten. So verbringen wir wirklich schöne Tage und Abende in Jenin. Tagsüber, geben wir in der Schule Workshops an die Älteren vom Street Circus hier in Jenin und diese unterrichten dann am nächsten Tag in zwei Trainingseinheiten die Jüngeren zw. 6- 12 Jahre. Nachmittags trainieren wir zusammen und besprechen die Trainings. Ich bin total beeindruckt wie wissbegierig die Jugendlichen vom Street Circus sind und freu mich, da ich in Sachen Workshop geben auch wieder viel dazulernen kann. Die Jugendlichen stecken total viel Energie in dieses Projekt, meistens trainieren sie die Kids alleine und auch die Organisation wird zu einem großen Teil von der 15 Jährigen Zina übernommen.
Am Mittwoch werden wir mit den Kids in der Schule auftreten und am Freitag mit den Jugendlichen im Freedom Theater. Bis dahin ist noch viel zu tun, da wir nur einen Tag haben um unsere Show mit den Jugendlichen vom Street Circus zu verbinden und dann ist auch schon gleich die Aufführung. Das bedeutet also nicht nur Alltags eindrücke zu verarbeiten sondern speziell für den Ramon auch Shows spielen, zusammensetzen, auseinanderpflücken, neu gestalten, um gestalten und und und was ja auch erstmal nicht zu meinem persönlich bekannten Alltag gehört.
Dem Freedom Theater haben wir gestern einen Besuch abgestattet. Es wird von Jonathan verwaltet, einen Schweden der seid zwei Jahren in Jenin lebt. Das Freedom Theater scheint mir sehr strukturiert und beliebt bei der Jeniner Bevölkerung. So spielen wir am Freitag gleich zwei Shows.
in denen wohl jeder Zuschauerplatz besetzt sein wird.

Dann gibt es da noch die andere Seite, die leider auch traurige Realität ist... immer die gleichen Geschichten, die es sich nach und nach in meinen Gedanken gemütlich machen. Übergriffe der Israelischen Armee auf schuldige, mutmaßliche (was auch immer diese beiden Begriffe bedeuten) und andere Terroristen (was auch immer das bedeuten soll), unschuldige aber halt in Kauf genommene Zivile Opfer (Siehe Deutsche Zeitungen und Reaktionen auf Israels Politik, darf man es noch Politik nennen? im Gazastreifen)... Israel kommt, wie soll ich es ausdrücken, generell nicht gut weg hier und da sich das jeder denken kann, brauch ich es auch nicht weiter zu erwähnen. Politische Stellung zu beziehen ist für mich gerade unmöglich, vor allem da ich beide Seiten kennen gelernt habe und so hör ich mir alles an und verweile in Gedankenwälzerei... Ja so ist es hier in Jenin... Gut dass es da noch Zwei gibt, mit denen ich mich austauschen kann...
Ramon

Familienleben

Freitag Abend in Jenin. Das Wochenende ist vorbei, am Samstag beginnt die Schule.
Ich bin zu Hause bei Zina, die auf dem Boden sitzt und fuer ihre Mathe-Klausur am naechsten Tag lernt. Ihre Schwester Azza sitzt am Internet, der kleine Bruder Rashed schlaeft schon im gleichen Zimmer.
Gerade hat uns der Vater von der Schule abgeholt, in der wir seit dem Morgen trainiert haben.
Die Eltern waren uebers Wochenende in Ramallah, auf der Rueckfahrt nach Jenin sind sie gerast, aus Angst vor Siedlern, die mit Steinen auf palaestinensische Autos werfen koennten. Die Reaktion auf den Anschlag, der sich am Freitag in Jerusalem ereignet hat.

Das ist nur ein kurzer Eindruck von so vielen. Ich bin ziemlich ueberladen, wovon zuerst erzaehlen?
In der Familie von Zina fuehle ich mich sehr wohl und bin froh, das Leben hautnah erleben zu koennen. Das Zirkustraining mit Street Circus lief supergut, die Jugendlichen sind aussergewoehnlich verantwortungsvoll, konzentriert und motiviert. Sie wollen mehr in den verschiedenen Zirkusdisziplinen und ueber Zirkuspaedagogik im Allgemeinen lernen, damit sie die Juengeren anleiten koennen. Wesam macht sich Gedanken, wie es mit Street Circus weitergehen wird, wenn in den naechsten Jahren die Aelteren vielleicht aufhoeren oder weniger Zeit haben werden, weil sie in der letzten Klasse vor ihrem Schulabschluss sein werden, danach vielleicht studieren.
Von Aussen dringen Nachrichten an uns, aber so richtig Zeit finde ich dafuer doch nicht im ganzen Geschehen.
Wir telefonieren oder schreiben mit Freunden in Nablus, Maghar, Jerusalem, Kfar Yehoshua, Deutschland.
Ich bekomme suessen Kamillentee gegen meine Halsschmerzen.
Zinas Mutter ist zu Hause, weil heute Frauentag ist und sie nicht arbeiten muss.

Jetzt werd ich zur Wohnung von Jean und Ramon laufen. Ein wenig Zeit bleibt uns noch vor dem Training um 14 Uhr...
Anne

Rauschend zur naechsten Etappe

Ein Rauschen geht durch die Luft, ein Dröhnen, dass das idyllische Bild des Frühstücks auf dem Bauernhof abschmeckt. Ein Krachen, was die Prise Realität hinzufügt, dem Gefühl der totalen Harmonie auf dem Land mit unseren Freunden. Es ist ein Kampfjet, der von Ramat David abfliegt, heute morgen ist es alle zehn Minuten einer, während wir am Kaffee nippen. Wir wissen nicht, wohin sie fliegen. Hey, ich schreibs ja nur reisserisch, damit es spass macht zu lesen! Also weiter...

Genauso rauscht es auch in unseren Köpfen, denn es war eine intensive Woche, voller Eindrücke und wunderschöner Momente der Gastfreundschaft. Es schlaucht aber auch ein wenig, sich auf so viele Menschen immer wieder einzulassen. Die Freude des Wiedersehens, die Geschichten des Lebens, die bis dahin erlebt wurden, na, und dann unsere Shows. Immer wieder einfühlsame Extravaganz, vor so verschiedenen Menschen. Ich will versuchen mit der Auswahl von Fotos einen Eindruck zu geben, wo wir waren und vor wem wir spielten.

Nach der kleinen Aufwärmung einer einzelnen Nummer in Kfar Yeshoua hatten wir die nächste Einlage im besagten Theater. Es war ein toller Auftritt, der einen angenehmen Beigeschmack bekam, als wir erfuhren, dass der Mensch, den wir auf die Bühne holten und die Weihnachtsmannmütze aufsetzten, der Bürgermeister ist.

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Unsere Freundin Hanita hat dieses Theater neu eröffnet und uns zu dieser Gelegenheit mit anderen Künstler_innen die Gelegenheit gegeben dort aufzutreten.
Es wurde immer wieder beteuert, wie besonders dieser Moment ist, was diese Show den Menschen dort bedeutet. Ein Dorf, in dem in den letzten 30 Jahren wohl kaum ein öffentlicher Auftritt stattgefunden hat. Isoliert von kulturellen Angeboten, im politischen Streit, als Stadt arabischer Einwohner_innen zu Israel zu gehören oder an die Westbank übergeben zu werden wurden wenig Gedanken daran verschwendet, zu feiern. Und für uns ist eine willkommene Gelegenheit, unsere Nummer ein weiteres Mal auszuprobieren.



Ja, und es ist uns aufgefallen, dass wir wirklich oft hinfallen, während der Show. Immer und immer wieder üben wir das hinkrachen. Naja, es geht ja auch darum, sich in dieser Kultur fallen zu lassen, nicht war?



Am Sonntag dann versuchten wir zu unserem Freund Adnan im drusischen Bergstädtchen zu trampen, doch als uns niemand mitnehmen wollte entschieden wir uns doch für den Bus. Es war das typische Bild israelischer Überlandbusse: fast nur Soldaten, die nach Hause oder zur Arbeit fahren. Und manche von Ihnen tragen stolz ihre Maschinengewehre auf der Brust. Oder weniger stolz, weil sie die Gewehre immer tragen müssen. Da kein Platz mehr zum sitzen war setzte ich mich in den Flur, was ein wenig unangenehm war, da der Lauf des Soldaten neben mir ziemlich genau auf meine Brust gerichtet war. Mir blieb also nicht anderes übrig, als in die israelische Gewehrsicherungs-Technologie zu vertrauen.



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Adnan hat uns wieder mal sehr herzlich empfangen. Er hat uns sein Haus gezeigt, mit uns gegessen und auch da kamen, wie wir ihn kennen einige dunklere Themen mit auf den Tisch. Über die (rechtlich verankerte) Diskriminierung der Araber_innen in Israel, die Korruption des Staates und der reichsten Menschen hier. Wie es scheint, schützt Israel einige Millionäre, die hier viel Geld in den Staat investieren, selbst wenn ein auslieferungsantrag Frankreichs besteht.
Die Ökonomie Israels ist, wie es auch neulich in die OECD aufgenommen wurde nach außen hin ganz hübsch, doch das ist viel mehr eine Fassade, die durch Statistikmanipulation geschaffen wird. Für mehr Infos dazu empfehle ich von Shir Hever des Alternative Information Center.



Wir spielten also unsere Show zum ersten Mal als Ganzes in Maghar und wärmten uns so schonmal für den Auftritt am Montag auf, der uns ein komplett anderes, sagen wir temperamentvolles Publikum versprach. Yaara, die Mutter eines Zirkuskindes auf Kfar Yeshoua arbeitet dort und hat uns diese Auftrittsmöglichkeit vermittelt.
Es ist eine Schule mit auffälligen Jugendlichen, die im normalisierten Schulsystem rausfallen und dort einen Platz zu finden suchten. Doch die Lehrer kämpfen mit den knappen staatlichen Zuwendungen, mit der Pädagogik und wir kämpften um unsere Ruhe, als wir uns vorbereiten wollten. Einmal auf der Bühne, war erstaunlich viel Faszination in der Luft, wir spürten den Respekt, der uns geschenkt wurde.

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Den letzten Auftritt feierten wir dann auf der Farm. Uff.

Wir sind also voller Eindrücke, voller Humus und Kaffee und voller Hühnchen von netten Abendessen. Voller Naturbilder und Kuhgeruch, voller Lagerfeuer und Gitarrenklänge. Nur die Auseinandersetzung mit der aktuellen Situation in Gaza fehlt ein wenig, da die Nachrichten hier so schwierig ankommen. Am Mittwoch entscheidet die Knesset wohl über einen größeren Einmarsch nach Gaza, wobei beim Libanonkrieg 64% der Gesellschaft für eine Invasion war. Was nach dieser schlechten Erfahrung und einigen Demonstrationen in Tel Aviv draus wird bleibt abzuwarten.

Jetzt fahren wir erstmal nach Jenin, und freuen uns dort auf die nächste Station. Anstatt etwa 30 km östlich über die Grenze zu fahren, müssen wir allerdings über Jerusalem fahren. Es klingt absurd, doch es liegt an der institutionalisierten Abschottung der Westbank. In dem Fall liegt es daran, dass alle Checkpoints, ausser dem in Jerusalem, privatisiert wurden und eine Bestätigung der Armee brauchen um uns durchzulassen. Das dauert natürlich Tage in den Mühlen der Bürokratie, weshalb wir jetzt doch Stunden lang nach Tel Aviv-Jerusalem-*CHECKPOINT*-Ramallah-Nablus-Jenin fahren müssen. Es ist also keine direkte Schickane, es ist systematisiert.
Bleibt die Frage, warum die Checkpoints privatisiert wurden... These 1: es gibt nicht mehr genug Soldaten. These 2: So unterliegen sie einem anderen Rechtssystem als die staatliche Armee, was ihnen mehr Freiheiten gibt. These 3: billiger als die Armee. Die Menschen, die dort arbeiten, sind allerdings eindeutig von der Armee ausgebildet worden, teilweise noch von der Armee und größtenteils aus Kampftruppen rekrutiert, wie uns gesagt wurde.

Und so rauschen wir über die Strassen zur nächsten Station...

Neuigkeiten und News

Die Nachrichten über Gaza und den Süden Israels in den Medien überschlagen sich, während wir hier im Norden mit unseren Freunden trainieren. Es ist schwer den Durchblick zu haben, was unten passiert, abgesehen, der steigenden Zahl Verwundeter und Sterbender, die hier die Schlagzeilen bestimmen.
Wenn es kein Internet gäbe wüssten wir allerdings nichts davon, denn hier wird wenig darüber gesprochen, wir fühlen uns sicher, es geht uns gut. Zynischer Weise können wir sogar behaupten sehr bewacht zu werden, da wir direkt neben einem der größten Militär-Airforce Basen Israels sind: Google Maps
Differenzierte Newsseiten über die Lage zu finden ist schwierig, ich möchte an dieser Stelle nur Haaretz empfehlen. Tiefere Analysen könnte mensch unter AlternativeNews finden, wobei die weniger Tagesberichte bringen.

Ja, die Lage der Region ist traurig. Doch was wir hier erleben sind sehr schöne Momente der Freundschaft und der Gemeinsamkeit.

Schreibt eure Kommentare und Wahrnehmungen, wir freuen uns über jede Nachricht.

der Jean

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